Endlose Müdigkeit ....
"Sing me to sleep
I'm tired and I
I want to go to bed
I want to go to bed
Sing me to sleep"
-The Smiths - Asleep -
Ich
bin müde. Nicht nur jetzt gerade im Moment, sondern die ganze Zeit über. Ich
bin auch dann noch müde, wenn ich zwei Tage lang einfach nichts anderes tue,
als zu schlafen. Es ist als, könnte ich einfach nicht mehr wach werden.
Da
ist dieses Gefühl, als würde ein schwerer Felsbrocken auf meinem Brustkorb
liegen. Ein Gewicht, das mich niederdrückt und mir die Luft abschnürt.
Es
ist ein Gefühl, als würde ich in Treibsand versinken und je mehr ich versuche
mich dagegen zu wehren, desto tiefer und schneller versinke ich.
Die
einfachsten Dinge kosten unglaublich viel Energie.
Das
fängt schon beim Aufstehen am Morgen an. Müsste ich nicht arbeiten gehen und
hätte ich nicht zwei kleine Kätzchen, die zu versorgen sind, würde ich wahrscheinlich
gar nicht mehr aufstehen. Es gibt Tage, an denen sich meine Augenlider so
schwer anfühlen, dass ich sie fast nicht aufbekomme.
Es
hat mich acht Monate gekostet Freunden die Fotos unserer gemeinsamen
Weihnachtsfeier zuzusenden, zwei Monate einer Freundin die Bilder von einem
unserer Treffen zu senden
Ich
hab fast vier Monate gebraucht, um den Brief einer Freundin nun endlich zu
beantworten. Zuerst war es einfach nur zu schwer einen klaren Kopf zu bekommen
und die richtigen Worte zu finden – dann hatte ich den Brief nach zwei Monaten
immerhin auf dem PC abgetippt und hätte ihn nur noch abschreiben müssen. Aber
selbst dazu hat mir die Kraft gefehlt und das ist einfach nur traurig.
Aber
es muss gar kein Brief sein. Nein. Selbst eine einfach, kurze Whats App
Nachricht zu beantworten scheint momentan zu viel zu sein. Genauso Rückrufe,
soziale Kontakte allgemein. Es fällt mir schwer wirklich da zu sein und den
Menschen, die mir wichtig sind zu zeigen, wie
wichtig sie mir sind, weil mir zu den einfachsten Gesten die Kraft fehlt.
Ich
schaffe es nicht mich bei allen so regelmäßig zu melden, wie ich das gerne
würde. Und ich habe unglaubliche Angst, dass meine Freunde das auf sich
beziehen und denken, sie hätten irgendwas falsch gemacht oder gar, dass ich kein
Interesse mehr an ihnen hätte. Dabei möchte ich nichts lieber als da zu sein,
zu 100%. Ich möchte an den Dingen teilhaben, zuhören, umarmen und schreiben.
Dinge unternehmen und Pläne machen.
Stattdessen
bin ich zu müde, die Spülmaschine auszuräumen, einkaufen zu gehen, etwas für
mein Fernstudium zu tun oder einfach nur das Bett zu verlassen. So unglaublich
müde.
Ich
fühle mich schwer und traurig und einsam und furchtbar.
Nichts
scheint mir zu gelingen. Alles ist irgendwie nur schrecklich. Die Zeit arbeitet
gegen mich. Mein Körper will nicht funktionieren und stellt sich gegen mich.
Es
spielt gar keine Rolle, wann ich arbeiten muss – ob morgens, mittags oder
abends. Ich bin immer im Stress. Es fängt schon damit an, aus dem Bett zu
kommen. Ich habe einen Wecker mit zwei Weckzeiten, die eine halbe Stunde
auseinander liegen. Danach setzt der Handywecker ein – sieben bis zehnmal im
Zehnminutentakt. Ich schaffe es einfach nicht aus dem Bett. Und wenn ich dem warmen Zufluchtsort entkomme, dann geht jede Bewegung nur sehr schwerfällig und
langsam von Statten. Jeder Handgriff beansprucht mehr Zeit als er sollte.
Manchmal
schaffe ich es eigentlich sogar recht pünktlich geduscht, mit
Frühstück/Mittagessen im Bauch und gepacktem Rucksack parat zu stehen – aber
dann wird ganz schnell mal der Schlüssel vergessen, die Trinkflasche, die
Brille, die Arbeitsmappe – „Ist der Herd auch wirklich aus?“, „Hab ich alle
Fenster zugemacht?“ – im letzten Moment schütte ich mir den Kaffee über den Pulli. Und
ganz egal, wie viel ich auch darüber nachgrüble – am Ende vergesse ich doch
irgendwas. Und meist etwas essentielles.
In
letzter Zeit bin ich nie zeitig fertig. Die Zeit rennt – und rennt immer
schneller. Fürs Essen bleibt gar keine Zeit. Mit einer Scheibe Toast im Mund
renne ich zu meinem Auto – den Kaffe to Go Becher – sofern ich ihn nicht wieder
stehen gelassen habe – in der einen, den Rucksack in der anderen Hand.
Vielleicht renne ich noch zehn Mal zurück in die Wohnung, um zu überprüfen, ob
die Fenster wirklich geschlossen sind/der Herd wirklich aus ist. Oder ich hab
doch wieder was vergessen - Gegessen wird im Auto, auf der Fahrt. Auch da kann
so viel schief gehen. Der Nachbar parkt mal wieder vor meiner Garage. Ein
Umzugswagen blockiert ausgerechnet gerade dann die Straße. Irgendein Bekloppter
rast mir fast in den Wagen. Es gibt eine neue Baustelle und daher Stau. Ich
finde keinen Parkplatz in der Nähe. Am Ende renne ich zur Arbeit, einfach jeden
Tag. Und weil ich diese Gefühle nicht zur Arbeit mitbringen will, setzte ich
ein fröhliches Lächeln auf und sage gut gelaunt „Hallo“ – und wahre den Schein.
Manchmal
sitze ich echt heulend in meinem Wagen und versuche mich zu beruhigen und
runter zu kommen, während ich mich frage, warum wirklich jeder sein Leben auf
die Reihe kriegt, nur ich nicht. Ich weiß, dass das nicht stimmt. Aber so kommt
es mir in diesen Momenten vor. Denn diese Momente sind für mich keine Ausnahme,
sondern Alltag. Jeder Tag ist chaotisch, jeder Tag von Unglück bestimmt und all
das geht von mir aus. Weil ich einfach nicht für dieses Leben gemacht bin. Ich
bekomm‘s nicht hin.
Ich
schaffe es nicht pünktlich zur Arbeit zu gehen.
Ich
schaffe es nicht einkaufen zu gehen, ohne die Hälfte zu vergessen. Die wichtige
Hälfte.
Ich
schaffe es nicht den Menschen, die mir wichtig sind, gerecht zu werden.
Ich
scheitere an den alltäglichen Dingen. Schaffe es nicht meine Gedanken zu ordnen
und Dinge richtig zu machen. Alles läuft falsch. Ich sage und tue die falschen
Dinge.
Meine
Wohnung versinkt im Chaos und ich weiß nicht, wo ich beginnen soll dieses Chaos
zu ordnen. Und genauso ergeht es mir mit dem Rest von meinem Leben. Und das
Chaos in meiner Wohnung und in meinem Leben machen mich krank. Ich hasse es.
Eigentlich
dachte ich, das sei jetzt vorbei. Die quälenden Fragen, ständigen Zweifel und
einfach die Angst. Für ein paar Monate dachte ich, ich sei glücklich und hätte
mein Leben endlich im Griff. Ich hatte einen echten Höhenflug und dachte wohl
endlich die Antwort gefunden zu haben – Mann, was war das für ein Irrtum!
Die
Panikattacken sind wieder da. Das Gefühl der vollkommenen inneren Leere. Die
ständige Einsamkeit, ganz gleich wie viele Menschen, um mich herum auch sind.
Die sozialen Ängste.
Ich
hab diesen Sommer wieder so viel verpasst, weil ich so tief in diesem dunklen
Loch versunken bin. Weil ich zu viel Angst hatte irgendwohin zu gehen, gesehen
zu werden. Beurteilt zu werden. Mich auf etwas einzulassen.
Und
es sind gar nicht mal nur die großen Dinge. Mir fehlt sogar die Energie um zu
lesen, ein Videospiel zu spielen oder irgendeine Serie anzuschauen.
Wenn
ich nicht arbeite oder mich um die Kätzchen kümmere, hab ich in letzter Zeit
oft einfach nur geschlafen oder meinen Gedanken nachgehangen.
„Wie
geht es dir?“
„Gut.“
Ich
bin unglaublich schlecht im Lügen, aber das hier ist eine Lüge, die mir ganz
leicht über die Lippen rutscht – ich hatte beinahe mein ganzes Leben Zeit sie
zu üben und zu perfektionieren. Genauso wie das dazugehörige Lächeln.
Dabei
will ich gar nicht lügen. Es gibt sogar Momente da brennt mir die Wahrheit im
Hals wie Säure und ich würde sie am liebsten hinausschreien. Manchmal frisst es
mich innerlich auf so zu tun, als wäre alles okay, wenn so gar nichts okay ist.
Aber leider ist es gar nicht so leicht zu beschreiben, wie es wirklich in mir
aussieht. Und noch viel schwieriger ist es, jemanden zu finden, der das
versteht.
Emilia
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