Notizbuchschätze #1

Von November 2015

Aus Davids Sicht geschrieben.

***


War schwer zu erraten, was er wohl gerade dachte. Ich hoffte, dass er überlegte, mit mir zu reden und mir seine Gefühle anzuvertrauen. Aber machen wir uns nichts vor, wahrscheinlicher war es, dass er darüber nachdachte, auf welche Weise er mich am besten umbringen sollte.
Aber dann überraschte er mich. Plötzlich schien er sich in meinen Armen zu entspannen. Ich ließ etwas lockerer und er blieb. Mit Robin war es manchmal, wie mit einem scheuen Reh - eine falsche Bewegung und es rannte erschrocken davon. Deswegen war das gerade etwas besonderes. Er lief nicht weg, er befreite sich nicht aus meiner Umklammerung. Er blieb einfach ganz ruhig und zahm da wo er war. Und dann sah er mich mit seinen grünen Augen an. Er wirkte irgendwie verloren, hilflos. Und unglaublich süß.
Ich wollte dieses scheue Reh nicht erschrecken, wirklich nicht. Nein, im Gegenteil, ich wollte dass er bei mir blieb und zutraulich wurde. Aber so, wie er mich in diesem Moment ansah, wollte ich vor allem auch eins: Ihn küssen. Also zog ich ihn etwas näher zu mir. Ich legte meine Stirn an seine. Er ließ es einfach geschehen. Meine Augen ruhten auf ihm. Mein Atmen streifte sein Gesicht. Mein Herz klopfte auf einmal ganz wild in meiner Brust. Ich war hin und hergerissen zwischen der Angst, dass eine falsche Bewegung genügte, um ihm zu vertreiben und dem Wunsch ihm noch näher zu kommen. Ich entschied mich für letzteres. Ich zog ihn an mich. Meine freie Hand legte ich an seine Wange. Und dann überbrückte ich den letzten Abstand zwischen uns. Meine Lippen streiften über seine. Für den Bruchteil einer Sekunde, schmeckte ich diese süßen Lippen - dann wandte er den Kopf ab. Drehte sich von mir weg.

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